© Techau-Verlag 1996 - 2023
Gestaltungsmerkmale
Die Gestaltungsmerkmale sind aus der Arbeit mit Multiplikatoren entstanden.
Ziel war und ist es, allen Interessierten einen Zugang zu „mehr Erleben“ zu verschaffen, selbst wenn sie nur geringe oder keine musikalischen Vorkenntnisse besitzen. Dieses Erlebnis soll auch in den jeweiligen Gruppen weitergegeben werden. Daher kamen nur Kriterien in Betracht, die alle Teilnehmer selbst überprüfen können. Zurück in der Praxis kann man meist niemanden fragen: „Ist es gut so?” oder „Was kann ich anders machen?”
Daher ist es das Ziel, Teilnehmern größtmögliche Selbstkontrolle über das Geschehen zu vermitteln, um eigenständig Kompetenz zu erweitern. Praktisch heißt das, auf die eigenen Wahrnehmungen zu verweisen und Aufgaben zu stellen, die selbstgesteuert und ohne Hilfe überprüft werden können.
Ein Kernsatz meiner Arbeit ist der Begriff Qualität mit dem Leitsatz
„Qualität ist, wenn man einen Unterschied macht”
Wir alle haben ein Empfinden für Puls und Takt und einen Sinn für Harmonie. Übrigens, Harmonie ist nur zum Teil ein wohliger, kuscheliger Zustand, sondern in erster Linie ein aktiver „Balanceakt”. Er erfordert aufmerksames und angemessenes Wahrnehmen und Handeln in engem Austausch mit der gesamten Umgebung. Dieser Sinn hilft uns beim Musizieren und sogar im Alltag, das Richtige zu tun.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind Aufgaben nötig, die ohne fremde Hilfe erfüllt und beurteilt werden können. Dazu dienen die so genannten Gestaltungsmerkmale. Sie geben der Aufmerksamkeit eine Richtung und sind die Stellräder, mit denen sich das musikalische oder tänzerische Tun steuern lässt.
Die Erfahrung zeigte, dass sich viele Hilfen/Hinweise auf Lehrgängen wiederholten, wie zum Beispiel, einen Unterschied in der Klangfarbe oder Dynamik zu machen. Später ergab es sich, das manche Hinweise häufig mit bestimmten anderen zusammenfielen, zum Beispiel Dynamik (Lautstärke) und Akzente. Fast automatisch bildeten sich im weiteren Verlauf Oberbegriffe für ähnliche Hinweise in ähnlichen Situationen. Einige Hinweise zielten mehr auf das Gefühl, andere mehr auf das Denken und es ist oftmals hilfreich, beide „Zielrichtungen” nicht zu vermischen.
Dies alles ergab sich für mich im Studium der Musikpädagogik, während dessen ich schon z.B. in Kinderheimen tätig war. In meiner Examensarbeit landete ich für mich völlig unerwartet, aber im Nachhinein völlig logisch, bei einem reichlich theoretischen Exkurs, in dem ich diese Hinweise aufarbeitete und strukturierte. Damals entstand die Beziehung zu den drei Gehirnebenen Stammhirn, Zwischenhirn und Großhirn.
Sehr überrascht war ich, als ich wenige Jahre später ähnliche Gedanken und und eine sehr ähnliche Struktur in Friedrich Schillers „Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen” (1795) wiederfand.
„Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“
(Schiller, 15.Brief)
Schiller postuliert darin drei grundlegende (An-)Triebe, die sich nahtlos mit der in der Musikpraxis gefundenen Erlebnisstruktur decken. Nach dieser Lektüre (und einigem weiteren, vertiefenden Lesestoff) wurden die „Gestaltungsmerkmale” geboren.
Noch später ergab sich eine Übereinstimmung dieser Struktur mit den drei aryurvedischen Typen und der in der fötalen Entwicklung frühesten und beim erwachsenen Menschen umfassendsten Organisationsstruktur, den Keimblattfunktionen. Hier zeigt sich übrigens, dass aryurvedische und Schulmedizin eine Gemeinsamkeit haben.
Ganz nebenbei spiegelt diese Ordnung auch die von Pestalozzi geprägte Formulierung von „Kopf, Herz und Hand” wieder, hinter der ein umfassendes Gedankengebäude steht.
Die Gestaltungsmerkmale sind zweifach gegliedert
1. Horizontal
Jeweils drei Gestaltungselemente bilden eine Gruppe, wie Dynamik, Klangfarbe, Akzent. Innerhalb einer Gruppe ergänzen sich die Merkmale zu einer Funktionseinheit. Sie aktivieren drei verschiedene, sich ergänzende Vorgänge in uns. Daher sei empfohlen, in der Praxis zunächst Merkmale aus einer Gruppe zusammen zu verwenden. Einige Gruppen passen nur zum Musizieren, andere nur für Bewegung, einige für beide.
2. Vertikal
Die andere Ordnungsebene ist gruppenübergreifend. Sie benennt drei Oberbegriffe
(A, B, C), auf die sich die drei Merkmale innerhalb der verschiedenen Gruppen beziehen. Mit ihrer Hilfe lassen sich auch Gestaltungsmerkmale aus verschiedenen Gruppen zusammenstellen.
Diese Struktur findet sich bereits in den „Rhythmen für Einsteiger” und ist in „MOPS” am ausführlichsten dargestellt. Auch die „Rhythmen zum (Mit-) Spielen” sind davon beeinflusst. Eine ausführliche praktische Darstellung, vornehmlich für Kinder, ist bislang unveröffentlicht (Faszination des Elementaren, 1998).
An der FH Kiel haben wir uns einmal ein ganzes Semester mit dieser Struktur, mit ihrer Stimmigkeit und Umsetzbarkeit beschäftigt. Es war sogar ein Preis ausgesetzt für nicht schlüssige und nicht funktionierende Strukturen/Anwendungen.
Das übereinstimmernde Urteil der Studenten: Eine logische/strukturelle Unstimimgkeit ist nicht auszumachen. Die Struktur sowie sich daraus ergebende praktische Formulierungen wie Fluss –Präzision – Einbettung ist auf praktisch alle Lebensbereiche anwendbar. Sie hätten es ausprobiert und es hätte immer gepasst bzw. geholfen. Ebenso wurde eine weitreichende Bedeutung für pädagogische und therapeutische Verwendungen erkannt.
Ein Student lieferte am Ende eine sehr knappe (ernstgemeinte!) Beurteilung:
„Ein Scheißseminar.”
„Wieso???”
„Es gibt nichts zu kritisieren…”
|
A |
B |
C |
Gruppe 1 |
Klangfarbe |
Akzent |
Dynamik |
Gruppe 2 |
Einbettung |
Genauigkeit |
Fluss |
|
A |
B |
C |
|
Persönlichkeitsmerkmale (Fühlen) |
kognitive Prozesse (Denken) |
Antriebe (Handeln) |
Physiologie |
Zwischenhirn |
Großhirn |
Stammhirn |
Schiller |
Inhaltstrieb |
Formtrieb |
Spieltrieb |
Aryurveda |
Pitta |
Vata |
Kapha |
Keimblätter |
Entoderm |
Mesoderm |
Ektoderm |
Pestalozzi |
Herz |
Kopf |
Hand |
Selbstkontrolle
Gestaltungsmerkmale
mehr Erleben
Friedrich Schiller
Aryurveda
Weiteres Material
Universelle Anwendbarkeit
Struktur
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